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Das Egerland
Das Egerland liegt im Nordwesten Böhmens. Es grenzt im Norden an
Sachsen und im Westen an Bayern. Seine Grenzen sind nicht mit den
Staats- oder Ländergrenzen identisch; von Landschaft und Sprache her
gehören einige Landstriche im Westen und Norden dazu. Seinen Namen
hat es von dem Fluss, der es durchfließt, der Eger. Sie entspringt
im Fichtelgebirge und mündet in die Elbe.
Geographisch gesehen besteht das Egerland aus folgenden
Gebieten:
der ehemals freien Reichsstadt Eger,
den Randzonen des westlichen Erzgebirges,
dem Falkenauer Becken,
dem Duppauer Gebirge,
dem Tepler Hochland mit dem Kaiserwald,
und dem nördlichen Böhmerwald.
Charakteristisch für diese Region im
Nordwesten Böhmens ist einerseits die ländliche Kultur mit ihren
einmaligen Bauformen, bemalten Möbeln, Trachten und Zeugnissen der
Frömmigkeit. Andererseits hatten besonders die Kurorte Karlsbad,
Marienbad und Franzensbad wesentlichen Einfluss auf das Kultur- und
Wirtschaftsleben des Egerlandes. Vor allem Kunsthandwerk und Handel
profitierten von den Badegästen aus aller Welt.
Die reichlich vorhandenen Bodenschätze begünstigten das Entstehen
einer sich gut entwickelnden Industrie, ganz besonders einer
weltbekannten Porzellanindustrie.
Weltweit bekannt sind Egerländer Musik und Karlsbader Oblaten. Aber
auch die Egerer Reliefintarsien, Zinngießer-Arbeiten,
Federvogel-Bilder oder Sprudelstein-Arbeiten wurden und werden in
Kennerkreisen geschätzt, ebenso wie Musikinstrumente aus dem
Egerland.
Das Egerland war über 900 Jahre lang von
Deutschen bewohnt und von deren kulturellem Leben, ihren Sitten und
Bräuchen geprägt. Nach der Volkszählung vom 17.5.1939 lebten im
Egerland auf einer Fläche von 7466 km2 803.300 Bewohner.
Seine deutsche Bevölkerung wurde zum größten Teil 1945/46 aus ihrer
der angestammten Heimat vertrieben.
Oskar Storm, Neuhausen/Filder, Juni
2002; (ergänzt im Jänner 2003 )
Quelle: Ernst Bartl: „Egerland einst und
jetzt“, Egerland-Verlag, Geislingen/Steige,1959
Faltblatt des Egerlandmuseums Marktredwitz, 1991.
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Die Egerländer in
Wendlingen
Wann, Warum und Wie kamen die Egerländer nach Baden-Württemberg,
nach Wendlingen?
Wann kamen die Egerländer nach
Baden-Württemberg, nach Wendlingen?
1945/46 wurden die Egerländer, wie alle Sudeten- und Ostdeutschen
aus ihrer, seit über 1000 Jahren
angestammten Heimat vertrieben.
Auf der Suche nach einer vorläufigen Bleibe und einer Arbeit kamen
die Egerländer auch nach Baden-
Württemberg. „Vorläufige Bleibe“ deshalb, da kein Mensch glauben
konnte, dass es keine Rückkehr
geben wird, dass eine derartige Unmenschlichkeit von Dauer sein
würde. Alle Planungen waren auf
eine baldige Rückkehr ausgerichtet. Keiner wollte glauben, dass mit
der Zeit aus der vorläufigen
Bleibe eine zweite Heimat werden sollte!
Warum kamen die Egerländer nach
Baden-Württemberg, nach Wendlingen?
Die Vertreibung ist die Strafe für den begangenen Hochverrat, als
welcher die Auflösung der ersten
Republik gewertet wurde und wird, an der die Sudetendeutschen die
Schuld haben. „Die Sudetendeutschen
kamen mit der Vertreibung gut davon, eigentlich hätte man alle
erhängen müssen“, so die
Aussage des tschechischen Ministerpräsidenten Zemann und, diese
menschenrechtverachtende
Aussage noch im Jahr 2002, 57 Jahre nach den zum Mord aufrufenden
Reden und Dekreten eines
Beneš.
Am Abschluss des Münchner Abkommens 1938, das in der Hauptsache den
Anschluss der Sudetengebiete
an das Deutsche Reich regelte, war kein Sudetendeutscher beteiligt,
noch wurden die Betroffenen
in einer Abstimmung nach ihrer Meinung befragt. Allerdings waren
auch die Tschechen nicht direkt an
den Verhandlungen beteiligt. Die „Alliierten“ (England und
Frankreich), die schon 1919 keine
Rücksicht bei der Staatsgründung der ČSR auf das
„Selbstbestimmungsrecht der Völker“ genommen
hatten, waren die Unterzeichner des Abkommens, von dem sie dann 1945
in Potsdam nichts mehr
wussten.
So begann mit dem Kriegsende ein Leidensweg einer Volksgruppe, den
man sich heute nicht
vorstellen kann.
Bevor ab dem Frühjahr bis zum Herbst 1946 die sogen. amtliche
Vertreibung unter Mitnahme von 30-
50 kg Gepäck (örtlich verschieden); keine Wertgegenstände,
Sparbücher usw., erfolgte, herrschte für
die Deutschen eine rechtlose Zeit. Mit Kriegsende begannen die in
die deutschen Gebiete eingerückten
Angehörigen der Swoboda-Armee, Rote Partisanen, SNB, nicht zu
vergessen die Mitglieder der sich
am Ort gebildeten Narodny Vybor, mit ihrer Schreckensherrschaft. In
diesem Zeitraum 1945/46
verloren 260.000 Menschen ihr Leben.
Es war die Zeit der Enteignung, Wohnungsräumungen, wilden
Vertreibungen, Verbringung zur
Zwangsarbeit in Innerböhmen, Einweisung in KZ- und Arbeitslager,
öffentliche Hinrichtungen ohne
ordentliche Prozesse.
Als Grundlage und Vorwand für die Vertreibung von 4,1 Millionen
Deutschen und Ungarn aus der
ehemaligen Tschechoslowakei gelten 12 der von Edvard Beneš zwischen
1940 und 1945 erlassenen
143 Dekrete.
Beneš-Dekrete
Vertreibung und Enteignung:
Dekret Nr.33 vom 2.8.1945. Es regelt die
Aberkennung der Staatsbürgerschaft
der deutschen Bevölkerung und anderer Einwohner der ehemaligen
Tschechoslowakei. Darin
wird erklärt, dass die Deutschen schon 1938 die tschechische
Staatsbürgerschaft verloren haben. Die
Sudetendeutschen waren nach dem Münchner Abkommen deutsche
Staatsbürger geworden. Durch
dieses Dekret wird auch deutschen Bürgern im Protektorat oder der
Slowakei sowie den deutsche
Juden im Protektorat, die niemals deutsche Staatsbürger waren, die
tschechoslowakische Staatsbürgerschaft
entzogen.
Dekret Nr.27 vom 17.7.1945 und Nr.28 vom 20.7.1945; darin wird die
Neubesiedelung der bis dahin
deutschen Landesteile mit „slawischen Landwirten“. In Folge davon
wurden 700.000 Deutsche
gewaltsam vertrieben.
Dekret Nr. 137 vom 27.10.1945; es enthält die Bestimmung, dass
Deutsche und Ungarn zum Zwecke
ihrer späteren „Abschiebung“ unbegrenzt inhaftiert werden können.
Dekret Nr. 5 vom 19.5.1945 ordnet die nationale Verwaltung des
Vermögens “staatlich unzuverlässiger
Personen“ an.
Dekret Nr. 12 vom 21.6.1945 und Nr. 108 vom 25.10.1945; sie regeln
die Enteignung zuerst des
landwirtschaftlichen, dann des gesamten Besitzes der Deutschen und
Ungarn. Grundlage der Enteignung
waren weder eine persönliche Schuld noch die Staatsangehörigkeit,
sondern allein die Volkszugehörigkeit.
Zwangsarbeit:
Dekret Nr. 71 vom 19.9.1945 und Nr. 126 vom
27.10.1945; sie regeln die Arbeitspflicht
für Deutsche und Ungarn. Die eigentlichen Zwangsarbeiter erhielten
kein Entgelt und waren
im Allgemeinen inhaftiert. Für die anderen gab es Lohnabschläge, in
Folge davon erhalten die heute
noch in der Tschechei lebenden Deutschen weniger Rente.
Kulturelle Entrechtung:
Dekret Nr. 122 vom 18.10.1945 und
Nr. 131
vom 6.5.1948; mit 122 wurden
die deutschen Universitäten in Prag und Brünn aufgelöst. Die
Absolventen verloren ihre akademische
Grade, diese Diskriminierung dauert für heute noch in der Tschechei
lebende Personen an.
Dekret Nr. 131
ordnet die „Liquidierung“ der Deutschen Evangelischen Kirche an.
Gewalt und Vergeltung:
Dekret Nr. 16 und Nr. 138 sogn. „Retributionsdekrete“.
Mit diesen wurde
eine Vergeltungsjustiz installiert. Bereits ein kleines Amt in einer
NS-Organisation konnte mit 5 bis 20
Jahre Kerker bestraft werden. Über 38.000 Prozesse wurden geführt,
475 Todesurteile gegen Deutsche
wurden vollstreckt, davon etliche öffentlich. Der tschechische Staat
ist bis heute nicht bereit, damals
verhängte Urteile zu überprüfen um Verurteilte zu rehabilitieren.
Mit dem Gesetz Nr. 115 vom 8. Mai 1946 wurden alle Taten für
rechtmäßig erklärt, die an Deutschen
bei der Vertreibung begangen wurden, dabei handelt es sich
hauptsächlich um die Ermordung
Zehntausender Deutscher. Das Gesetz gilt bis heute!
Wie
kamen die Egerländer nach Baden-Württemberg, nach Wendlingen?
Auf 3 verschiedene Arten kamen die Egerländer
nach
Baden-Württemberg.
a)
Bahntransport direkt vom Vertreibungslager:
das waren alle
Transporte die über Furth im Wald
in die US-Zone kamen. Es waren in der Hauptsache Vertriebene aus
Mähren, Südböhmen und
Ungarn, die nach Baden-Württemberg kamen; Egerländer kamen nur aus
dem Südegerland,
also aus den Kreisen Bischofteinitz, Tachau, Haid.
b)
Familienzusammenführung:
Umsiedlung aus Hessen, Bayern, und der russ.Zone, wohin die
Familienangehörigen mit dem Transport gekommen waren.
Das lief im Allgemeinen so ab: ein Familienmitglied kam aus der
Kriegsgefangenschaft oder
im Rahmen der Arbeitssuche nach Württemberg fand hier (mit viel
Glück) eine Arbeit und
Bleibe und erhielt dann eine „Zuzugsgenehmigung“. Weitere
Möglichkeiten waren, Verwandte,
Bekannte aus der Kriegszeit, Kriegskameraden usw. am Ort, die dem
„Flüchtling“ eine
Bleibe gaben für ihn bürgten und er so zu dem lebendnotwendigen
Papier „Zuzugsgenehmigung“
kam. Mit viel Geduld erfolgte dann die Suche nach dem Rest der
Familie. War die Suche
von Erfolg, begann dann der dornige Weg, auch für die Angehörigen
das magische Papier
„Zuzugsgenehmigung“ zu erhalten; denn nur damit war ein
unbefristeter Aufenthalt an dem
Ort, für den diese Genehmigung ausgestellt war, erlaubt. Jeder Ort
durfte nur eine begrenzte
Anzahl dieses Papiers ausstellen, das war abhängig von der
Infrastruktur. Darauf achtete man
damals streng, ganz im Gegensatz zu heute, wo jeder egal von wo und
wie er daherkommt und
sich einfach „niederlässt“. Damals spielten Wasserzuleitungen,
Kläranlagen, Kanalquerschnitte
usw. eine Rolle.
c)
Einzel-Flüchtlinge:
Menschen auf der Suche nach Arbeit und einer
Bleibe. Es waren entweder
Personen die, aus welchen Gründen auch immer, aus der Heimat
geflohen waren, oder die mit
dem Transport in eine Gegend kamen, die auf die Dauer keinerlei
Perspektiven hinsichtlich
Arbeit und Beruf auch nur erahnen lies und deshalb in eine bessere
Gegend wollten.
Warum nach Baden-Württemberg?
In den Jahren 1945/46 gab es so gut wie keine öffentlichen Medien.
Nachrichten erreichten dir
Interessenten hauptsächlich über die „Buschtrommel“, so auch die
Nachricht, in Württemberg gibt es
Arbeit und „Zuzug“.
So kamen Egerländer, die in der Hauptsache nach Bayern und Hessen
mit den Transporten gekommen
waren , dort aber so gut wie keine Arbeit finden konnten, außer in
beschränktem Umfang in der Land und
Forstwirtschaft, als Einzelpersonen nach Württemberg. Es kamen aber
auch Vertriebene aus der
russischen Besatzungszone als Flüchtlinge über die bewachte
Demarkationslinie.
Einige der Egerländer kamen aber auch als Flüchtlinge dort an. Als
es Ende 1945 Anfang 1946 in der
CSR für Deutsche immer unerträglicher wurde, die Verhaftungswelle
rollte und Deportationen als
Zwangsarbeiter ins Innere Böhmens wurden immer häufiger. Die dortige
Landwirtschaft brauchte
kostenlose Arbeitskräfte, da die ehemaligen Knechte als
„Goldgräber“, amtliche Bezeichnung
„Narodny Spravce“, in die deutschen Gebiete abgewandert waren, das
Gleiche galt auch für den
Bergbau in Brüx und Kladno. Um dem zu entgehen, flüchteten viele der
im grenznahen Gebiet
wohnhaften Egerländer über die grüne Grenze nach Bayern. Sie
brachten meistens nur einen Rucksack
an Habe mit, also viel weniger als die von den Amerikanern
vorgeschriebenen 50 kg Gepäck. Oftmals
wurde dann mehrmals ein lebensgefährlicher Weg über die Grenze
angetreten um noch dies oder jenes
aus der inzwischen versiegelten Wohnung zu holen. Wer dabei erwischt
wurde, dem war außer
Schlägen eine längere Haft sicher; es sei denn, er wurde auf dem
Rückweg erwischt und die Grenzsoldaten
fanden Gefallen an der mitgeführten Habe.
Nach dem illegalen Grenzübertritt, fanden sie meistens bei
Verwandten oder Bekannten in der
Oberpfalz für kurze Zeit eine Bleibe. Man musste sehen, dass man
einen „Registrierschein“ der
Amerikaner bekam. Es gab Registrierstellen, meistens bei der
örtlichen „Military Gouvernement“ –
Stelle untergebracht, wo an bestimmten Tagen und nur für kurze Zeit
geöffnet war. Der Registrierschein
war ein Blatt Papier in englisch und deutsch, versehen mit einem
Fingerabdruck des rechten
Zeigefingers. Die amerikanischen Beamten nahmen es oftmals recht
genau, fragten die Leute aus und
es kam vor, dass es statt eines Registrierscheines, ab in ein
Kriegsgefangenen-Lager oder zurück über
die Grenze ging, was gleichbedeutend mit tschechischem Lager war.
Der Registrierschein war ein
Ausweispapier, das aber kein Bleiberecht beinhaltete. Man konnte
darauf bei einem den Flüchtlingen
gut gesinnten Bürgermeister für 3 Tage „Reise-Lebensmittelmarken“
bekommen.
An einem Ort länger als 3 Tage bleiben konnte man nur mit einer
„Zuzugsgenehmigung“, die aber im
Allgemeinen wiederum den Nachweis einer Arbeitsstelle und Unterkunft
voraussetzte. Die Gemeinden
bez. Landkreise hatten strenge Auflagen bei der Vergabe des
begehrten Dokumentes. Eine große Rolle
spielte die Infrastruktur, auf die man heute keinerlei mehr nimmt.
Wen wundert es, wenn Kläranlagen
und Kanalsysteme heute bei geringer Überbelastung durch
Witterungseinflüsse ihren Dienst versagen.
Konnte man aus eigener Kraft keine Bleibe finden, blieb nur der Weg
über die „Auffanglager“, wie
z.B. Hof-Moschendorf, München Allach, um nur einige zu nennen. Das
bedeutete aber längerer
Lageraufenthalt mit allen Konsequenzen, oftmals peinliche
Befragungen durch die Besatzungsstellen
und zum Schluss, Zuteilung auf irgendeinen Landkreis, was wiederum
Eintritt in den Teufelskreis
bedeuten konnte –Suche nach Arbeit, da es diese an dem Ort, den man
zugeteilt worden war, absolut
nicht gab. Arbeit war inzwischen sehr wichtig geworden, denn die
spärlichen Lebensmittel, die es auf
Marken gab, mussten mir RM bezahlt werden und die musste man
irgendwie verdienen. „Sozial“, wie
heute, gab es damals nicht und die „Flüchtling“ hatte man aller
Barschaften erleichtert. Retten konnte
man nur Geld über ein Postsparbuch; glücklich der, der ein solches
über die Grenze retten konnte, er
konnte davon abheben. Alle anderen Sparbücher, die man vor den
Tschechen retten konnte, waren
vorerst wertlos.
Die Suche nach Arbeit und damit „Zuzug“ dauerte oft recht lange.
Wendlingen bzw. der damalige
Landkreis Nürtingen , mit einem Landrat Dr.Schaude an der Spitze
waren ein Glücksfall für viele
Vertriebene und damit die Egerländer. Hier wurde für die
Vertriebenen viel getan, im Vergleich mit
anderen Landkreisen, vor allem im Vergleich zu Bayern oder Hessen,
wurde sehr, sehr viel getan.
Oskar Storm, Neuhausen/Filder, Feber 2004
Quellen: Konrad Badenheuer, Beneš-Dekrete. Karlsbader Zeitung, 53.
Jahrg. 6/2003, Seite 210:
Nachdruck aus „Bayernkurier“ vom 17.4.2004
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Die Egerländer als
Bürger Wendlingens
Die meisten Egerländer kamen bis Ende 1946 nach Baden-Württemberg,
hatten eine - irgendeine- Arbeit gefunden und hatten ein Dach über
dem Kopf und das schlimmste Jahr nach dem Krieg -1947- vor sich.
Trotzdem resignierte kaum jemand und nach der Währungsreform 1948
begann der Aufbau einer neuen Existenz. Aber bei den meisten,
besonders bei den älteren Vertriebenen wurde alles immer im Hinblick
auf die Rückkehr in die Heimat geplant und getan. Im Hinterkopf war
der Gedanke, dass es nur für kurze Zeit sei, sich alles beruhigen
würde und man daheim weitermachen würde. Dass ein derartiges Unrecht
von Dauer sei, konnte sich niemand vorstellen.
Im Jahr 1949 erfolgte die offizielle Gründung der Gmoi Wendlingen
und auch etlicher Gmoin in Baden- Württemberg. Viele Egerländer
hatten sich aber schon vorher immer wieder zusammengefunden, ohne
feste Termine und Planung zum „Hutzn“ getroffen und standen einander
mit Rat und Tat in der schweren Zeit bei.
Die Gmoi Wendlingen war von Anfang an bestrebt sich nicht
abzukapseln, sondern sich nach außen zu öffnen und am öffentlichen
Leben Teil zu nehmen. Das geschah als Gmoi, aber auch als einzelnes
Gmoimitglied. Egerländer wurden Mitglied in örtlichen Vereinen,
waren Mitglied des Gemeinde- und Kreisrates und brachten ihren
Beitrag zum Geschehen in der Stadt.
Im Jahr 1952 fand das 1.Vinzenzifest der Egerländer statt, das Fest,
das inzwischen zum Stadtfest, zum größten Fest in der Region
Mittlerer Neckar geworden ist. Nur am Rande sei hier vermerkt, dass
dieses Fest zwar die Hilfe der Gemeindeverwaltung erfährt, wie dies
bei Festen anderer Vereine auch üblich ist, bis heute aber von der
Egerländer Gmoi z´Wendlingen die Logistik erbracht und das gesamte
finanzielle Risiko getragen wird.
Ab dem 2.Vinzenzifest 1953 findet am Festsonntag der Vinzenzimarkt
statt, der inzwischen den Köngener Pfingstmarkt weit hinter sich
gelassen hat. Eine weitere Attraktion der Stadt Wendlingen am Neckar
seit nunmehr über 50 Jahren ist das 1950 von den Egerländern wieder
ins Leben gerufene und in Wendlingen fest etablierte Maibaumfest,
ein Fest, das andere Gemeinden jetzt versuchen im Jahresablauf zu
etablieren. Natürlich sind die Egerländer Feste von Anfang an unter
Beteiligung der örtlichen Vereine begangen worden.
Aber nicht nur beim Feiern waren die Egerländer tonangebend, auch am
Ernst des Lebens der Gemeinde leisteten sie ihren Beitrag. Die
Vettern Anton Rödl und Hubert Matzner waren Mitglied im Gemeinde-
und Kreisrat. Sie waren nicht nur Mitglied, sie erhoben auch, wenn
es nötig war, lautstark ihre Stimme. Und ein Egerländer, Hans
Köhler, leitete die Geschicke der Stadt Wendlingen am Neckar von
1978 bis 1993. Unter seiner „Regentschaft“ wurden viele Projekte
verwirklicht, die den heutigen Stellenwert Wendlingens mit
ausmachen. 1988 schenkten die Egerländer der Gemeinde für die Neue
Stadtmitte den Egerländer Musikantenbrunnen und schon 1976 sorgten
die Egerländer für den Ausbau der Vinzenzikapelle in St.Kolumban, in
der seit 1981 das Reliquiar des Hl.Vinzenz aufbewahrt wird; Kapelle
und Reliquiar sind eine Stiftung der Egerländer an die
Kirchengemeinde. Auf dem Friedhof wurden zwei Gedenkstätten für die
Vertreibungsopfer auf Anregung und mit der Finanzierung durch die
Egerländer errichtet und an die Übernahme der Patenschaft über alle
in Baden-Württemberg lebenden Egerländer durch die Stadt Wendlingen
am Neckar erinnert eine von der Gmoi z´Wendlingen gestiftete
Bronzetafel.
Das sind nur einige Beispiele der Spuren, die die Egerländer in
Wendlingen hinterlassen haben und es immer noch tun.
Oskar Storm, Neuhausen/Filder, Juli 2003
Quellen: Archiv der Egerländer Gmoi
z´Wendlingen am Neckar.
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